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Erfahrungen in einer Gemeinschaftsschule - Besuch der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen

Ab Herbst 2012 kehren sich bekanntlich 40 Schulen im Ländle vom dreigliedrigen System ab. Sie streben nach selbstverantwortlichem Lernen ohne Diskriminierung und Aussonderung.  Wir Grünen in Gerlingen haben uns das Thema „ Gemeinschaftsschule“ (GMS) für unsere Arbeit in diesem Jahr vorgenommen.


Im Rahmen von Exkursionen des Kreisverbands Ludwigsburg fand am 6. März ein Besuch der Geschwister-Scholl-Schule in Tübingen statt, die sich ab Schuljahr 2012/2013 offiziell „Gemeinschaftsschule“ nennen darf. Die Umstellung zu einer kooperativen Schule wurde schon vor 4 Jahren begonnen. Seit einiger Zeit arbeiten ca.1600 SchülerInnen mit Gymnasial-, Real- und Hauptschulempfehlung ab Kl. 5 bis Kl. 10 einschließlich in gemischten  Gruppen zu je 9 Schülern gemeinsam unter Leitung eines Lernbegleiters und Coach (eines Lehrers/einer Lehrerin).


Es gibt individuelle Lernangebote in den heterogenen Lerngruppen, um die Unterschiedlichkeit der Schüler zu fördern. Heterogenität ist der Ausgangspunkt für die Schulgestaltung und orientiert sich an folgende Grundsatzentscheidungen:

  • Die Schule vom Lernen her gestalten
  • Die Zielorientierung an Kompetenzen
  • Kenntnisse über Schüler gewinnen/Begleitung der Lernentwicklung
  • Frühes Fordern/Ermöglichung eigener Lernverantwortung
  • Der Schwerpunkt: Ganzheitlichkeits-Persönlichkeitsentwicklung.


Die wöchentliche Unterrichtszeit in der Unterstufe beträgt 32 Stunden. Ca. 24 Stunden davon sind „normaler“ Unterricht, 8 Stunden finden als  IA („individuelles Arbeiten“) von den Schülern selbständig organisiert statt.


Die Schüler haben zum jeweiligen Stoff Lernpakete, die sie durcharbeiten müssen und ein Lerntagebuch, in dem sie täglich bestimmte Aufgaben in Absprache mit ihrem Lernbegleiter festlegen. Zu jedem Fach bzw. Themenbereich gibt es unterschiedliche Aufgabenniveaus, genannt 1-Stern-, 2- Stern- und 3- Sternaufgaben. Die Schüler können sich für ein Niveau entscheiden, allerdings werden sie - sollten sie sich regelmäßig unter- oder überfordern -, dazu angehalten, sich Schwierigeres, in Einzelfällen auch Leichteres  vorzunehmen. So kommt es, dass als „Hauptschüler“ eingestufte Schüler auch 3-Stern-Aufgaben lösen. Beobachtung dabei: 70 % der Spannweite der Leistungsfähigkeit liegt schon heute innerhalb der Klassen, nur 30 % zwischen den Schularten.


Über die jeweiligen Lernpakete werden Tests geschrieben und genau ausgewertet. Mit unterschiedlichen Farben werden die Stärken und Schwächen diagnostiziert und dokumentiert.


In der INPUT-Phase, wenn der Lehrer seiner Gruppe etwas erklärt, ist es mit 9 Schülern viel schneller möglich, Fragen zu stellen und Nichtverstandenes zu erklären. Es gibt viele Lernmöglichkeiten, die alle vom Coach gecheckt werden. Es werden zudem nur so viele Kinder mit HS-Empfehlung aufgenommen, die auch zum Gymnasialabschluss gebracht werden können.


Für den Erfolg einer solchen Schule ist neben der Heterogenität wichtigste Voraussetzung, dass  Schüler, Eltern und das Kollegium diese Schulform wollen. Denn die Stellung und Arbeit der Lehrer als Lernbegleiter oder Coach sind deutlich anders als an den herkömmlichen Schulen. Fortbildung und Qualifizierung muss ein großer Stellenwert beigemessen werden.


Die Lehrerzufriedenheit ist an der Geschwister-Scholl-Schule sehr groß. Der Schulleiter betonte hierzu: „Keiner der Kollegen will weg von der Schule. Es ist zwar mehr Arbeit, aber die Tätigkeit ist für alle viel befriedigender.“ Auch die Nachfrage bei den Schülern/Eltern sei riesig.


Das Fazit des Schulleiters: „Es ist eine Angstfantasie, dass das Zusammenarbeiten von leistungsstarken mit nicht leistungsstarken Schülern nicht klappt.“ Allerdings gebe es einen großen Bedarf an zusätzlichen Lehrerstunden. Die jetzt geplante Ausstattung für die GMS sei viel zu gering. „Wir haben 400  % mehr gebraucht.“

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