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Was tun? Unsere Umweltkolumne

Klimaneutral? Kurzsichtig!

 

Bestimmt kennen Sie Menschen, die ein wunderbar aufgeräumtes Umweltgewissen haben, seit sie eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach, ein E-Mobil in der Garage oder gar beides haben. Da darf man dann doch bestimmt reinsten Gewissens Tag und Nacht die Festbeleuchtung in Haus und Garten genießen und mit dem Auto eben mal nach Stuttgart düsen, um auf dem Markt Biokräuter zu erwerben. Ist doch alles klimaneutral! Der eigene Strom, erzeugt von der endlos scheinenden Sonne. Deren Brennstoff wird noch ein paar Milliarden Jahre ausreichen. Besser geht's nicht, oder? Ich finde schon. Sollte es nicht darum gehen, in allen Lebensbereichen so viel Energie wie möglich einzusparen, um die Energiewende möglichst früh zu schaffen und unseren Nachkommen etwas Besseres als einen vergifteten Planeten zu hinterlassen?

Der Rebound-Effekt

Doch bei vielen Menschen, die etwa eine PV-Anlage auf dem Dach haben, steigt der Energieverbrauch überdurchschnittlich, der sogenannte Rebound-Effekt. Der war, wenngleich nicht unter diesem Namen, schon 1865 im Zusammenhang mit der billiger werdenden Kohle bekannt. Er bezeichnet den gesteigerten Verbrauch von Ressourcen, der durch Produktivitätssteigerungen

ermöglicht wird. Haushalte mit PV-Anlage auf dem Dach etwa achten nicht mehr sonderlich auf ihren Verbrauch. Der Strom kostet nicht extra und man hat ein gutes Gewissen, nach dem Motto: Wir leisten doch unseren Beitrag für die Umwelt, haben für die Anlage viel Geld ausgegeben und unseren Strom produzieren wir selbst. Also läuft die Waschmaschine auch mal halb gefüllt, die Wohnung ist mit 23 Grad selbst im Winter immer mollig warm und die Energiesparlampen dürfen Tag und Nacht den Weg weisen. Eine Untersuchung aus Japan zeigt, dass Autofahrer, die sich ein „ökologisches Auto“ zugelegt haben, ein Jahr nach dessen Kauf gut anderthalb mal so viel fahren wie mit ihrem herkömmlichen Auto. Da sind logischerweise Energieeinspareffekte mehr als verpufft. Einmal abgesehen davon, dass weder E-Autos noch PV-Anlagen klimaneutral am Baum wachsen und Autofahren immer auch Reifenabrieb und damit zusätzlichen Feinstaub für die Umwelt bedeutet.

Es geht um mehr als Geld

Sinnvoll wäre es doch, so viel von einer PV-Anlage produzierten Strom wie nur möglich ins Netz einzuspeisen, auch wenn dafür immer noch viel zu wenig Geld, zwischen 6 und 11 Cent pro Kilowattstunde, fließt. Schließlich geht es doch darum, dass wir alle möglichst viel CO2-armen Strom nutzen, auch wenn (noch) nicht jeder eine PV-Anlage auf dem Dach haben kann.

Barbara Bross-Winkler

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